Veit Laurent Kurz – CORIUM 30. Juli bis 24. Oktober 2021

Die Ausstellung ist Teil der Biennale „Into Nature – New Energy“ im niederländischen Bargerveen

Im Zeitraum vom 30. Juli bis 24. Oktober 2021 realisiert der Künstler Veit Laurent Kurz im Rahmen der niederländischen Biennale „Into Nature – New Energy“  eine eigens für den Wasserturm der Kunsthalle Lingen gestaltete Installation und einen Videofilm. Die Biennale wird seit 2016 bereits zum dritten Mal organisiert und realisiert von dem künstlerischen Leiter Hans den Hartog Jager in Zusammenarbeit mit dem Kurator Michiel van der Kaaij. Das Konzept besteht in einer künstlerisch formulierten Reflektion des Naturschutzgebietes Bargerveen in den Niederlanden in der Provinz Drenthe. Es handelt sich dabei um das einzig verbliebende Hochmoorgebiet in Holland, dessen Geschichte von unterschiedlichen Energieformen durchdrungen ist: Historische Energie, verschwundene Energie, unsichtbare Energie, umstrittene Energie und neue Energie. Etwa dreihundert Vogelarten bewohnen das Gebiet, vierzig Libellenarten, dreißig Schmetterlings- und fast neunhundert Mottenarten.

Noch entscheidender für die Bedeutung des Gebiets ist jedoch, dass das Bargerveen heute ein entscheidender Teil der Energielandschaft der Provinz ist – einer Landschaft, die ihre Existenz zum Teil der Energie verdankt, die sie produziert. Direkt jenseits der Grenze in Deutschland stehen – von den Mooren aus gut sichtbar – Dutzende von hohen Windmühlen. Und in Lingen, ebenfalls direkt hinter der Grenze, steht ein Kernkraftwerk. All diese verschiedenen Arten der Energieerzeugung sind nach wie vor mit Dilemmata verbunden. Was bedeuten sie für die Landschaft? Und warum tragen die Menschen, die dort leben, die Last dieser Energieerzeugung, haben aber das Gefühl, dass sie selbst relativ wenig davon haben? Die Folgen dieser Spannung werden immer sichtbarer. Mit der Ausstellung „Into Nature – New Energy“ soll neue Energie in die Bargerveen gebracht werden und über die Art und Weise nachgedacht, wie diese erzeugt wird. Die präsentierten Kunstwerke beleuchten die Geschichte dieser Region näher und zeigen die sozialen Auswirkungen der Energie auf. Ein weiterer Ort der Biennale ist der Wasserturm der Kunsthalle Lingen mit einem Kunstwerk von Veit Laurent Kurz.

Veit Laurent Kurz  (geb. 1985 in Erbach, lebt in New York und Berlin) absolvierte sein Studium der freien Kunst an der Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, in Frankfurt am Main. Er präsentierte seine künstlerischen Arbeiten in Einzelausstellungen u.a. im Kunstverein Nürnberg, im Whitney Museum of Modern Art in New York und in der Städtischen Galerie Delmenhorst und nahm an Gruppenausstellungen u.a. bei „Made in Germany 3“ in der Kestner Gesellschaft in Hannover teil, sowie in der Halle für Kunst in Lüneburg und im Kunstverein in Dortmund.

Seine Installation im Wasserturm der Kunsthalle Lingen ergänzt die Vulkane, die Veit Laurent Kurz im Bargerveen realisiert hat. Über ihren Titel „CORIUM“ verweist die Arbeit auf das geschmolzene Material, das in einem Kernreaktor während einer Kernschmelze entsteht. In beiden Räumen sprechen Unterlagen über Lava in Form von Elefantenfüßen davon. Alles wirkt zwar verwohnt und zeugt von Arbeits- und Wohnsituation, es ist hingegen niemand anwesend. Unten scheint jemand mit Flüssigkeiten experimentiert zu haben, oben hat jemand geschlafen, ein Fernseher läuft, aber niemand schaut zu. Zwei angekettete Wesen wirken wie Haustiere, die sich ein Besitzer zu halten scheint. Wer wohnt hier und welche Umstände haben ihr*sein Leben begleitet? Dokumente, Bilder und Modelle weisen auf Atomreaktoren und erzählen von Tschernobyl, wir erinnern uns an 1986, als dort ein verheerender Unfall stattfand.  Die Atmosphäre im Turm ist ebenso bedrückend wie faszinierend und lädt dazu ein, sich Geschichten, Fabeln oder Märchen von hier möglichen lebenden Menschen oder Wesen auszudenken, die „Anti-Depressivum“ und „Anti-Idiotikum“ einnehmen, um zu überleben. Vieles scheint möglich, aber nichts kann eindeutig durch Indizien zu einer plausiblen und in sich stimmigen Deutung zusammengesetzt werden, am Ende ergibt das Puzzle aus diversen Teilen kein gegenständliches Bild. Ist es vielleicht der Künstler selbst oder verweist alles auf ein schreckliches Ereignis, das der*dem Bewohner*in widerfahren ist?