Zu einer ungewöhnlichen Begegnung zweier künstlerischer Positionen kommt es in der nächsten Ausstellung des Kunstverein Lingen. Großformatige Fotografie und schwergewichtige Skulptur begegnen sich in den lichten großzügigen Räumen der Lingener Kunsthalle. Im Zentrum stehen dabei 3 Fotografien aus der Serie „Les Nuits Etranges“ (die unheimlichen Nächte) von Yannick Demmerle, geb. 1969 in Sarreguemines, Frankreich, und drei auf einander bezogene Skulpturen Ulrich Rückriems, geb. 1938 in Düsseldorf. Zwei Medien, zwei Generationen, zwei unterschiedliche künstlerische Strategien – in der konsequenten, auf elementare Grundmuster reduzierten Form begegnen sie sich auf überraschende Weise. Vervollständigt wird die Ausstellung durch rund 30 weitere Fotoarbeiten Demmerles aus verschiedenen Serien und durch eine Anzahl weiterer Skulpturen und Zeichnungen und anderer Arbeiten auf Papier von Ulrich Rückriem. Die Ausstellung wird durch die Sparkasse Emsland und die Niedersächsische Sparkassenstiftung gefördert.
Yannick Demmerle findet die Motive für seine fotografischen Arbeiten auf ausgedehnten Reisen, die ihn auch in entlegenste Gegenden der Welt führen. Meere, Landschaften und Wälder bilden die Hauptmotive seiner meist großformatigen C-prints, die dem Betrachter den Eindruck vermitteln, wie durch ein Fenster in diese fremden Welten zu schauen. Da hinein entführt die Ausstellung. Tief im Inneren dieser Wälder, dort, wohin kaum noch Licht dringt, weil die Bäume zu hoch sind und zu dicht stehen, hat er „Les Nuits Etranges“, die unheimlichen Nächte gefunden. Die Farben sind die der Nacht, mit all den Assoziationen, die der schwarze Wald mit sich bringt, der sozusagen die Urangst des Menschen vor dem Unbekannten symbolisiert. Demmerle gibt ihm eine strenge, statische Form, die nahezu vergessen lässt, dass es sich um Fotografie und reale Natur handelt. Seine Serien mit Einblicken in tropische Regenwälder, nicht weniger geheimnisvoll doch voller Leben, bilden einen erfrischenden Kontrast dazu. (Alle Arbeiten courtesy Galerie Arndt & Partner, Zürich/Berlin)
Einen gänzlich anderen Weg zu seinem Werk beschreitet Ulrich Rückriem. Doch auch er findet sein Rohmaterial in der Natur und auch er muss tief in sie eindringen. Im Steinbruch, weit unter der sichtbaren Oberfläche werden die oft gewaltigen Steine gebrochen, die für seine Arbeiten benötigt werden. Die dreiteilige Skulptur aus dem Jahr 1984, die den „Nuits Etranges“ entgegengestellt wird, ist aus Granit, dessen Farbe zwischen grau und schwarz changiert. Jede ist für sich selbständig, jedoch existieren Zusammenhänge, die Freiplastik, Bodenskulptur und Wandrelief zu einem Ganzen zusammenfügen. Auch sie sind in der für Rückriem seit den 60iger Jahren bekannten und typischen Art realisiert. Dabei steht am Anfang die konzeptuelle Suche nach der Form, die sich in Zeichnungen, Konstruktions- und Aufbauplänen und in Modellen niederschlägt. Ihr folgt die persönliche Auswahl des Materials im Steinbruch und dann das handwerkliche Spalten, Schneiden und Zusammenfügen und das gelegentliche Schleifen des Steins nach seinen Vorgaben. (Arbeiten aus Privatsammlungen in Köln und Belgien und der Galerie Löhrl, Mönchengladbach)