Mandla Reuter

Zum Ende des Ausstellungsjahres 2009 präsentiert die Kunsthalle Lingen die erste institutionelle Einzelausstellung des 1974 in Nqutu (Südafrika) geborenen Künstlers Mandla Reuter. Seine künstlerische Arbeit hinterfängt vor allem ein Interesse an dem Phänomen des Raums, deren vorgegebene innenarchitektonische Strukturen durch Setzung von Alternativstrukturen ebenso beleuchtet wie hinterfragt werden. Die eigentlichen Parameter eines Ausstellungsraums dienen dabei als Ausgangspunkt der Überlegungen, denn sie werden durch aufwändige Eingriffe dahingehend verändert, dass nicht nur den Betrachterinnen und Betrachtern eine andersartig gelenkte Wahrnehmung des Ausstellungsraums vermittelt wird, sondern hierüber hinaus der gewohnte Besuch der Kunsthalle Lingen zu einem außergewöhnlichen Erlebnis wird.

 

Diese theoretisch formulierten Aspekte gestalten sich praktisch so, dass das System der Stellwände, die ebenso Hängefläche schaffen wie vor allem das große Untergeschoss der Kunsthalle in mehrere Räume teilen in seiner eigentlichen Struktur verändert wird. Ergänzend kann die künstlerische Arbeit Mandla Reuters nicht nur im Dialog miteinander, sondern auf synästhetische Art und Weise erfahren werden. Denn oft ist ein aufwändiges Soundsystem Bestandteil von Ausstellungen, von dem aus der Ton eines Hollywood Blockbusters durch die Räume schallt. Diese Arbeit ist ein Teil der seit 2005 entstehenden Serie Surrogate, zu übersetzen mit Ersatz bzw. Behelfsmittel. Hingegen wird im Zusammenhang des Kunstwerks von Mandla Reuter nichts ersetzt, denn sie steht für sich. Während einer Kinovorstellung aufgenommen, werden die Musik, die Effektsounds und die Stimmen der Schauspielerinnen und Schauspieler durch Geräusche der Zuschauerinnen und Zuschauer wie Husten, Lachen, Kommentare oder dem Knistern von Chipstüten ergänzt, und die Reinheit des hochartifiziellen Tons im Kino auf menschliche Art und Weise „verschmutzt“.

Hintergrund und Motivation der Arbeit Mandla Reuters sind unzählige Prozesse des Showbusiness, auf symbolische Weise vermittelt durch den Inhalt der Sound-Arbeit, auf metaphorische durch die räumlich angelegte Installation. Wie bei einer Welttournee eines Popstars, für die tonnenweise Equipment, aufwändige Bühnenaufbauten, LED-Displays, Sound- und Beleuchtungsanlagen, mobile Wohn- und Sanitäreinrichtungen etc. einmal um die Welt transportiert werden, um bei jedem Auftritt immer dasselbe Set zu erzeugen, wird für die Ausstellung die Inneneinrichtung des Equipments der Kunsthalle auf aufwändige Art und Weise modifiziert und mit einem Sound aus Hollywood ergänzt. Die industrielle Magie wird so von ihren narrativen Inhalten befreit, denn diese sind im Endeffekt beliebig und bei der grundlegenden Beobachtung von industriellem Entertainment oft hinderlich. Klischees sind deshalb Klischees, weil sie immer und immer wieder einfach und schnell funktionieren.

Oft kombiniert Mandla Reuter seine raumgreifenden Installationen auch mit fotografischen Arbeiten, die beispielsweise Aufnahmen eines Sonnenuntergangs in Los Angeles zeigen, die der Künstler bei einem für die Hollywoodindustrie tätigen Fotografen in L.A. in Auftrag gab. Insofern wird ein überreiztes Klischee-Bild als stereotypisches Zeichen in Korrespondenz mit dem Sound des Hollywood-Blockbusters zur synästhetisch wahrnehmbaren Metapher für die soialökonomische Kraft des Spektakels, des Aufwands einer Show, der immer auch Teil der künstlerischen Arbeit ist. Vor allem wird dieser nicht verschleiert und die komplette Illusion fiktiver Traumwelten vermittelt, sondern bewusst gebrochen. Sowie ein Sonnenuntergang die Fotografie desselben ist, wird durch die Geräusche der Zuschauer im Film und die Isolation des Tons von den überwältigenden Bildern der schönen Schauspieler und beeindruckenden Effekte das komplette Eintauchen in die Filmwelt verunmöglicht. Hierüber hinaus wird es jedoch in der Einzelausstellung Mandla Reuters in der Kunsthalle Lingen möglich, auf eine viele Sinne ansprechende Art und Weise in die Welt seiner ortsbezogenen künstlerischen Arbeiten einzutauchen.