EAW 16. Juli – 04. September 2022

Larissa Fassler, Harry Kramer, Ulrike Kuschel, Christian Odzuck und Stefan Odzuck, Alexander Rischer, Bastian Wiels, Alexander Wolff

Die Kunsthalle Lingen befindet sich in einem Teil der Halle IV des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks der Stadt Lingen (Ems), kurz EAW. Es besteht seit 1870 aus insgesamt drei großen Hallen und charakterisiert eine wechselvolle Geschichte.

1972 verließ die letzte Dampflok die Lingener Hallen und 1977 wurden alle Dampflokomotiven endgültig vom Schienennetz der Deutschen Bundesbahn entfernt; 1980 wurde der elektrische Schienenverkehr auf der Strecke Emden-Rheine aufgenommen. 1983 wurde auch die Güterwageninstandhaltung im Werk eingestellt und große Bereiche der Werkanlagen wurden als Lagerflächen vermietet, eine Sicherung und Wartung fand nicht mehr statt. Weite Teile des Gebäudes verfielen, Hallendächer wurden undicht. Am 30. April 1985 wurde die Zentralstelle für den Werkstättendienst aufgelöst, die beschäftigten Arbeiter verschwanden. Nach 1990 begann eine grundsätzliche Sanierung der denkmalgeschützten Gebäude. Insgesamt charakterisiert diesen Industriezweig Lingens eine wechselvolle Geschichte, die auch den Aspekt Arbeit berührt sowie soziale und gesellschaftspolitische Momente.  

Die Gruppenausstellung mit dem Titel „EAW“ findet statt aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums der Kunsthalle Lingen, die 1997 in das Gebäude einzog. Ihr inhaltlicher Fokus liegt weniger auf einer Darstellung der umfangreichen Geschichte durch historische Dokumente und Relikte aus den Hallen. Vielmehr wurden zeitgenössische Künstler*innen darum gebeten, sich über aktuelle künstlerische Medien einzelnen Themen oder Aspekten zu widmen, die aus der Geschichte, der Umgebung oder auch der Wandlung des Gebäudes ableitbar sind und die diese kritisch wie affirmativ beleuchten. Es handelt sich um die national und international bekannten Künstler*innen Larissa Fassler, Harry Kramer, Ulrike Kuschel, Christian Odzuck und Stefan Odzuck, Alexander Rischer, Bastian Wiels und Alexander Wolff.

Larissa Fassler setzt sich in ihren Werken mit der architektonischen Gestaltung von Städten und Bahnhöfen auseinander und zeigt eine Arbeit zum Pariser Bahnhof „Gare du Nord“. Von dem 1997 verstorbenen Künstler Harry Kramer werden Drahtplastiken aus den 1960er Jahren präsentiert, die das Thema Mensch/ Maschine beleuchten. Ulrike Kuschel präsentiert eine neu entstandene Arbeit, bestehend aus einem Film und Texten, die sich auf Fotografien richtet, die im Zusammenhang mit dem Lager Telgenkamp entstanden sind, in dem während der NS Zeit Zwangsarbeiter untergebracht wurden, die im EAW tätig waren. Christian Odzuck und Stefan Odzuck zeigen eine Videoinstallation, die sich auf Erinnerungen ihres Urgroßvaters bezieht, der Lokführer war. Alexander Rischers Fotografien lenken den Blick auf Randerscheinungen des Geländes rund um das EAW, während Bastian Wiels‘ Arbeiten die Sanierung der Halle I / II des Werks in den Blick nehmen. Alexander Wolff realisiert ein Wandbild, auf dem wiederum Bilder hängen, die die beeindruckenden Fassaden des Eisenbahnausbesserungswerks in Szene setzen.