Der offene Garten

Obwohl Lingen im Landkreis Emsland liegt und Neuenhaus, Bad Bentheim und Nordhorn zur  Grafschaft Bentheim gehören, sind alle Städte durch ihre geografische Lage im Westen Niedersachsens an der Grenze zu den infrastrukturell hoch durchorganisierten Niederlanden verbunden. In allen ist aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der unterschiedlichen Möglichkeiten des Bildungsangebots die gesellschaftliche Fluktuation groß: zahlreiche Personen wandern in die größeren Städte ab, gleichzeitig kommen Menschen aus beruflichen oder privaten Gründen in die vier Kleinstädte. In neuerer Zeit siedeln auch zahlreiche pensionierte Niederländer in die deutschen Randgebiete über. Insofern können Bad Bentheim, Lingen, Neuenhaus und Nordhorn auch als grenzüberschreitende ‚Durchgangsorte’ verstanden werden.

Eben diese Metapher des Durchgangs, des Zwischenortes und auch der durchlaufenden Biografie bildet konzeptuell die Ausgangsbasis für die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler, die an der Ausstellung „Der offene Garten“ teilnehmen. Der Titel ist in radikalem Gegensatz zur Bedeutung des Hortus Conclusus als in sich abgeschlossenem Paradiesgärtlein Sinnbild für Offenheit, Unabgeschlossenheit und Grenzenlosigkeit. In der Kunsthalle Lingen liegt der inhaltliche Schwerpunkt der präsentierten Kunstwerke auf der Thematik der Veränderung und der Transformation ebenso im metaphorischen wie im soziologischen und politischen Sinne.

 

Yael Bartana (geb. 1970 in Afula/ Israel) zeigt das 2006 entstandene Video „A Declaration“. Es entstand im Süden Tel Avivs im Bereich der unsichtbaren Grenze zwischen der Stadt und Jaffa. Der Film beginnt mit dem Klang von Wellen und dem Bild einer israelischen Flagge. Es folgt das schwirrende Geräusch eines Hubschraubers und ein junger Mann in weißem Unterhemd rudert ein Boot, in dem er einen Olivenbaum befördert. Er erreicht den auf den Golanhöhen bei Jaffa gelegenen Andromeda-Felsen, reißt die israelische Flagge aus der Erde und pflanzt einen Olivenbaum, das Friedenssymbol seit biblischen Zeiten.

 

Der in Brüssel lebende Künstler Christoph Fink (geb. 1963) arbeitet seit Jahren an seinem Atlas of Movements. Er reist mit dem Zug, dem Flugzeug oder auch zu Fuß und dokumentiert Veränderungen durch Begegnungen, das Wetter und verbindet diese Studien mit historischen Merkmalen zu ästhetischen Studien zu Zeit und Raum.

 

Sandra Kranich (geb. 1971 in Ludwigsburg) arbeitet im Medium Feuerwerk und gestaltet jeweils ortsbezogen eine Performance. Sie realisiert temporäre, sich verändernde Installationen, die als Zeichnungen im Raum betrachtet werden können.

 

Victor Mans (geb. 1974 in Cluj/ Rumänien) künstlerische Arbeit ist geprägt von dem soziokulturell geprägten Wechsel von einem kommunistisch regierten Land zu einem seit Öffnung der Grenzen demokratisch und kapitalistisch organisiertem. Dies spiegelt sich in einem Verfahren der Aneignung medialer Bilder und einer erweiterten Bildauffassung, so dass berührende Erinnerungsbilder entstehen.

 

Die Installationen der Künstlerin Rivane Neuenschwander (geb. 1967 in Belo Horizonte/ Brasilien) charakterisiert ein feines Gespür für die Flüchtigkeit des organischen Lebens. Ihre Installation „Chove Chuva“ (Regen regnet) verweist auf den Prozess der Veränderung auf natürliche Weise.

 

Die Arbeit „Papaver“ des belgischen Künstlers Panamarenko (geb. 1940 in Antwerpen) ist ein federleicht wirkendes Luftschiff und erzählt von grenzenloser Bewegung und vom Traum der Aufhebung der Schwerkraft. Vermittelt werden Energien von Visionen, die ein Überschreiten von Grenzen suggestiv nahe legen.

 

Die Werkgruppe der Drehflügel der Künstlerin Charlotte Posenenske (geb. 1930 in Wiesbaden, gest. 1985 in Frankfurt am Main) gilt als letzte realisierte Werkgruppe vor ihrem Entschluss im Jahr 1968, ihre künstlerische Arbeit zu beenden und Sozialwissenschaften zu studieren. Als vom Betrachter selbst veränderbare Durchgangsräume, deren Form sich jeweils verändert, spiegeln die „Drehflügel“ auf sehr abstrakt metaphorische Art und Weise den Aspekt der zeitbedingten Wandlung.