Die Gruppenausstellung „Ein Traum ist alles Leben und die Träume selbst ein Traum“ geht aus von den Arbeiten der 1960er und 1970er Jahre des in Lingen geborenen Künstlers Harry Kramer (1925 bis 1997), dessen Nachlass die dortige Kunsthalle, soweit er der Kasseler Stiftung Nekropole gehört, betreut und pflegt. Selbst zunächst als Schauspieler und Tänzer arbeitend , widmete sich Harry Kramer der bildenden Kunst und entwickelte 1952 ein Mechanisches Theater und später die so genannten automobilen Skulpturen – Objekte, die sich mit Hilfe eines kleinen Elektromotors selbst bewegen. Vor dem Hintergrund des theatralischen Ansatzes in den Arbeiten Harry Kramers, die in der Ausstellung ebenfalls präsentiert werden, setzt die Gruppenausstellung „Ein Traum ist alles Leben und die Träume selbst ein Traum“ zeitgenössische Kunstwerke von deutschen Künstlerinnen und Künstlern ebenso zu diesen wie auch zueinander in Beziehung. Insofern steht im Mittelpunkt über das rein visuelle Erlebnis hinaus die Erfahrung einer inszenierten Situation, die Skulptur, Raum und Betrachtende einschließt und deren körperliche Teilnahme fordert. Aspekte, die dem Kontext des Theaters immanent sind, wie Bewegung, Geräusche, Effekte, Requisiten, Vorhang, Schauspielerinnen und Schauspieler, Bühne, Musik und Tanz werden sich in allen künstlerischen Arbeiten der Ausstellung zwar angeeignet, hingegen erfüllen sie nicht den Anspruch der Vermittlung einer in sich stimmigen Erzählung, bei denen Charaktere Entwicklungen vollziehen oder eine bestimmte Moral oder Weltanschauung ablesbar wird. Vielmehr werden Konventionen und Gesetzmäßigkeiten hinterfragt sowie politische und soziokulturelle Aspekte angesprochen.
Die in Paris lebende Künstlerin Ulla von Brandenburg (geb. 1974 in Karlsruhe) arbeitet in den Medien Zeichnung, Wandbild, Text, Installation und Film. In ihren Zeichnungen kombiniert sie Motive aus unterschiedlichen Quellen, wie Zeitungsfotos, Skizzen von Filmrequisiten oder Portraits aus der Renaissance zu mysteriös wirkenden Bildern. Dies wird noch gesteigert durch das Prinzip der optischen Täuschung, das sie in ihren in schwarzer Farbe auf Transparentpapier gefertigten Zeichnungen anwendet. Einem Vexierbild ähnlich sucht das Auge nach gewohnten Bildern, dieser Wunsch wird jedoch erst nach einigem Einsehen erfüllt. Ihre Filme in 16 mm Technik rufen formal gewissermaßen vergangene Zeiten in Erinnerung. Die schwarz-weißen Szenen, in denen zwei, drei oder auch mehrere Figuren zu erstarrten Ensembles zusammengestellt erscheinen, lassen „Tableaux Vivants“ assoziieren. Die Posen erhalten eine fast unheimliche Autonomie, denn aufgrund typisierter Gestiken und einer schlichten Kleidung wirken die Dargestellten typisiert und entindividualisiert.
Kerstin Cmelka (geb. 1974 in Mödling, Österreich) lebt in Berlin und arbeitet in Ergänzung zu ihren fotografischen Arbeiten, in denen am Beispiel exzentrischer Momente aus Hollywood-Filmen die Frage nach der psychisch möglichen Kontrolle bis ins letzte einstudierter Gesten und Mimiken gestellt wird, auch im Bereich Performance. Tanz- und Steptanzstücke, bekannt aus berühmten Filmen der Hollywood-Traumfabrik werden von Kerstin Cmelka re-choreographiert und in enger Zusammenarbeit gerade mit nicht professionell ausgebildeten Tänzern aufgeführt. Somit wird die ursprünglich von Profitänzern einstudierte und ausgeführte Quelle aus Hollywood übersetzt in den Bereich des Amateurhaften und somit der Moment der bewussten oder unbewussten Nachahmung von Gesten zwecks Kommunikation einhergehend mit dem Aspekt der Möglichkeit der Manipulation als künstlerisches Werkzeug reflektiert.
Die jüngsten fotografischen Arbeiten „Outlandos“ der Hamburger Künstlerin Jeanne Faust (geb. 1968 in Wiesbaden) werden nicht auf der Wand präsentiert, sondern auf eigens gebauten Stellwänden, so dass sie den Raum wie eine Bühne organisieren und die Betrachtenden dazu auffordern, zwischen ihnen umher zu gehen. Inhaltlich basieren sie auf Scherenschnitten und zeigen zwar immer wieder aus der alltäglichen Erfahrung bekannte Dinge, die aber im nächsten Augen-Blick sich ins abstrakte wenden. Insofern werden inhaltlich Erwartungen an eine plausible, in sich stimmige Erzählung wie sie Theaterstücke erfüllen, irritiert.
Kalin Lindena (geb. 1977 in Hannover), ebenfalls in Berlin lebend, nutzt für ihre wie auf einer Bühne im Ausstellungsraum platzierten abstrakten Figuren verschiedene Materialien wie Papier, Stoff, Girlanden oder Ketten und verleiht ihnen Titel wie „Statist: Zu „Macht“ gehört ein „Auch““ oder „Statist: Dior“, die Assoziationen an mögliche Charaktere zulassen. Angeordnet um einen Bereich, der durch kreuzartige Glastüren und ein abstraktes Relief den Raum bühnenartig gliedert, entsteht eine Atmosphäre, die an Erfahrungen im Theater denken lassen ebenso wie die Figuren für das Bauhaus von Oskar Schlemmer.
Thematischer Hintergrund der begehbaren Installationen und Filmen von Claus Richter (geb. 1971 in Lippstadt), der in Offenbach am Main lebt, bilden Fankulte des Science-Fiction und des Fantasy. Die Mythen und Fantasien, die hiermit verbunden sind, bilden die Inspirationsquelle beispielsweise für die so genannten „Rides“, einer faszinierenden Eigenwelt, in die die Betrachtenden eintauchen und sie dann, um eine Erfahrung reicher, wieder verlassen. Auch wenn sie nicht zu Akteuren in einem Stück werden, werden sie doch auf alle Sinne ansprechende Weise irritiert. Claus Richter fasziniert ebenso der Konstruktionscharakter subjektiver Wirklichkeiten und individueller Identität wie die changierende Grenze zwischen Fiktion und Realität und die realitätsstiftende Kraft der Phantasie, der Erzählung und diejenige von Bildern und Modellen wird erlebbar.
Jochen Schmith ist der Name, unter dem Carola Wagenplast (geb. 1974 in Paris), Peter Hoppe (geb. 1975 in Kapstadt) und Peter Steckroth (geb. 1976 in Montreal) seit 2000 zusammen arbeiten. Ihre Installationen, Skulpturen und Videoarbeiten basieren auf der Begehung von Orten und der Sammlung von vorgefundenem Material, das ebenso einen Teil der Arbeit bildet und somit auch immer den Aspekt der Aneignung von alltäglichen Zeichen und Codes berührt. Kulissen, Architekturen, Konventionen und Symbole werden analysiert und münden in der Umsetzung in Räume, die im Ausstellungskontext dann neu entstehen auch in bühnenartige Situationen, die ebenso als Plattform für Veranstaltungen fungieren kann. Ebenso konfrontieren die Videoarbeiten Jochen Schmiths mit seltsamen, verstörenden Momenten, indem sie einen distanziert beobachtenden, fast kühlen Blick auf die sich in Szenen ereignenden Dinge zeigen. Obwohl sie auf alltäglich geläufiges verweisen, charakterisiert sie ebenso eine gleichzeitige Skepsis gegenüber einem Glauben an die vermittelnde Wahrheit fester, gesetzter Ordnungssysteme.
Der in Berlin lebende Künstler Alexander Wolff (geb. 1976 in Osterburg) arbeitet in den Medien Wandmalerei, Objekt und Skulptur. Seine zweidimensionalen Arbeiten charakterisieren musterhafte Oberflächen, die vor allem durch die Verwendung verschiedenfarbiger Textilien ebenso haptische wie auch raumgliedernde Qualität erhalten, denn oft platziert er sie mitten im Ausstellungsraum. Weiterhin werden die Bilder und Skulpturen um eine performative Note ergänzt, denn Alexander Wolff arbeitet mit Tänzerinnen und Tänzern zusammen, indem er sie bittet, eine auf die im Raum platzierten Arbeiten abgestimmte Choreografie zu entwickeln, die dann an einem – oder mehreren Abenden – aufgeführt wird. Die repetitive Ordnung der Muster in den Arbeiten Alexander Wolffs wird gewissermaßen in die Momente der Bewegung überführt und somit wird auch der Aspekt der Wiederholung auf ergänzende Weise ein Stück weit revidiert.