Ruth May und Susanne M. Winterling

Die Künstlerinnen Ruth May (geb. 1974) und Susanne M. Winterling (geb. 1970) verbindet zum einen die Hansestadt Hamburg, an der beide an der Akademie der bildenden Künste ihr Studium der freien Kunst absolviert haben. Beide waren dort Mitglied der Künstlergruppe Akademie Isotrop, die sich „als geheime  Nebenregierung des Akademischen“ betrachtete.

 

Die Ausstellung von Ruth May und Susanne M. Winterling trägt den Titel „Prototyp 2 (Neue Bude)“ und wurde unter anderem durch die Geschichte des ehemaligen Lingener Eisenbahnausbesserungswerks inspiriert, denn immer, wenn in seiner Geschichte ein neuer Anbau realisiert wurde, sprach man von der „Neuen Bude“. Der im Untergeschoss installierte ca. 100 qm umfassende Raum spiegelt das Obergeschoss der Kunsthalle und stellt im wahrsten Sinne des Wortes die „Neue Bude“ dar. Er bietet einen Ort für das Modell des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks. Ruth Mays künstlerische Arbeiten sind Welten wie aus Resten oder verlassenen Anfängen: Collagen aus Stoff- und Papierfragmenten, Tuschezeichnungen und Kostüme, die aus Falten die Realität entwickeln. Häufig trägt sie visuelle Zitate zusammen, die sowohl aus der Gegenwart wie auch der Renaissance stammen können, die als Differenz ausformuliert bleiben. Collagen basieren auf Fotografien des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks, erscheinen aber durch Kabel, die aus Ruinenbauten ragen stark abstrahiert. Susanne M. Winterlings Aufzeichnung einer Sprengung nach der Zündung zeigt, wie eine Explosionswolke aufsteigt, es bildet sich ein undurchsichtiger Nebel. Eine Fotoserie mit dem Titel „Die Drehung um sich selbst“ zeigt Aufnahmen aus einer Berliner Ballettschule, welche die Künstlerin über einen längeren Zeitraum immer wieder besuchte, um eine gewisse Vertrautheit der Mädchen mit dem Beobachtet-Werden durch die Kamera zu erreichen. Auf den Fotografien erscheinen die Körper der Mädchen durch die relative Langzeitbelichtung in ihrer Bewegtheit teilweise verschleiert und in ein sanftes goldenes Licht getaucht. In Korrespondenz mit dem Thema einer Reflektion des Lingener EAWs wird der Titel der Serie zu einer sprechenden Metapher.  Weitere Filme, Objekte und Fotografien ordnen sich zu Referenzgeweben und verbinden sich mit den Collagen und Stoffarbeiten von Ruth May zu einem Konglomerat, das inhaltlich um das Thema Eisenbahnausbesserungswerk dreht. Hierüber werden weitere Aspekte wie Wandlung und das Verhältnis zwischen dem Damals und dem Heute angesprochen.